Politik ist oft ein zähes Ringen um bestmögliche Lösungen. Im Prozess des Aushandelns von politischen Maßnahmen liegen Frustration, Hoffnung und Freude nahe beieinander. Ein besonders passendes Beispiel für ein solches „Wechselbad der Gefühle“, ist der Bleiberechtserlass, der im August (endlich!) veröffentlicht wurde und dessen Verhandlung ich über mehr als ein Jahr lang eng begleitet habe.
Das Aufenthaltsrecht ist Bundesrecht. Die Länder können daher nur die im Gesetz vorhandenen Spielräume nutzen und mit Hilfe von Erlassen steuern. Deshalb wurde auf GRÜNE Initiative hin im Koalitionsvertrag festgehalten, dass wir die bestehenden Spielräume des §25b Aufenthaltsgesetz für nachhaltig integrierte Personen nutzen wollen.
Die gesetzlichen Spielräume des Aufenthaltsgesetzes werden nun einheitlich zugunsten eines Bleiberechts für gut integrierter Flüchtlinge genutzt. Die im Gesetz vorgeschriebene Aufenthaltsdauer von 8 bzw. 6 Jahren um vom unsicheren Duldungsstatus in ein sicheres Bleiberecht wechseln, kann bei besonderen Integrationsleistungen um zwei Jahre (also auf 6 bzw. 4 Jahre) verkürzt werden. Mit dem Erlass geben wir den Rechtsanwender*innen – insbesondere den Ausländerbehörden – nun Hinweise an die Hand, wie diese einzelnen Bestimmungen des §25b Aufenthaltsgesetz auszulegen und anzuwenden sind. Das dient vor allem einer einheitlichen Anwendungspraxis auf Behördenseite – und Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Sicherheit auf der Seite der Rechtsberatung und der Geduldeten. Um die Zahl der Kettenduldungen zu minimieren, beschreibt der Erlass mit dem Zug-Um-Zug-Verfahren auch einen zielführenden Weg zur Identitätsklärung und Passbeschaffung.
Für Menschen, die auch die verkürzte Aufenthaltsdauer noch nicht erreicht haben, ist weiterhin – neben Regelungen wie die Ausbildungs- und Beschäftigungsduldung – die Härtefallkommission ein wichtiges Instrument, auf dem Weg zu einem sicheren Bleiberecht.
Es ist aber auch nicht zu verhehlen, dass wir auch vom Koalitionspartner ein weitergehendes Engagement in der Umsetzung der Koalitionsziele erwarten. Mehrere Abschiebungen der letzten Wochen sind mit dem Willen, Menschen in Arbeit eine Bleiberechtsperspektive zu verschaffen aus unserer Sicht nicht zu vereinbaren. Rechtlich möglich bedeutet nicht rechtlich geboten, es gilt Ermessensspielräume aktiv zu nutzen.
Der Erlass ist ein trotz allem ein Meilenstein für die Migrationspolitik des Landes Baden-Württemberg. Allerdings dürfen wir hier nicht stehen bleiben, sondern müssen uns weiterhin für eine humanitäre und vernünftige Migrationspolitik einsetzen. Ich zähle hier auch auf unsere Regierungsbeteiligung auf Bundesebene: Wir brauchen eine schnelle Umsetzung des Chancen-Aufenthaltsrechts, Reformen zu den Regelungen der Beschäftigungsduldung (Wegfall der 12-monatigen Vorduldungszeit), Verbesserungen bei den Visaantragszeiten in den Auslandsvertretungen (erleichtert ggf. auch Nachholung von Visa für Arbeitsaufenthalte) und bessere Regelungen für Einwanderung in Arbeit.
Es steht außer Frage, dass wir eine humanitäre und vernünftige Migrationspolitik brauchen. Deutschland ist auf Migration angewiesen. An der Migrationspolitik von Deutschland und Europa zeigt sich, wie wichtig uns die allgemeinen Menschenrechte wirklich sind.