Bericht zur Veranstaltung: „Wie viel politische Transparenz ist möglich?“

 

Wie viel Öffentlichkeit verträgt Politikgestaltung? Unter dieser Frage hatte der Ortsverband von Bündnis 90/Die Grünen zum vir- tuellen Austausch eingeladen. „Der Trend zu mehr Transparenz ist da”, antwortete die frisch gekürte Landtagsabgeordnete Daniela Evers, um dann Varianten dieser Transparenz zu referieren.

„Öffentlich hat Vorrang”

Sie verwies unter Hinweis auf Paragraf 35 der Gemeindeord- nung darauf, dass der Grundsatz gelte, öffentlich zu tagen. Aus- nahmen gebe es lediglich, wenn individuelle persönliche Belange insoweit berührt würden, dass diese (etwa aus datenschutzrecht- lichen Gründen) nicht vor bzw. in der Öffentlichkeit ausgebreitet werden dürfen (§ 35, Satz 2 GemO: „Nichtöffentlich darf nur ver- handelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte In- teressen Einzelner erfordern.” Dieses Vorgehen stelle sich so dar: Qua Tagesordnung bestimmt jeweils der Bürgermeister als Leiter der Gemeinderatsversammlung, was zur (öffentlichen) Behand- lung ansteht. Der Gemeinderat kann per Geschäftsordnungsantrag beantragen, ein Besprechungsthema von der öffentlichen in die nichtöffentliche Sitzung zu verlagern (und umgekehrt), worüber jedoch nichtöffentlich entschieden werden müsste (was wiederum eine Unterbrechung einer öffentlichen und eine kurzfristige Anbe- raumung einer nichtöffentlichen Sitzung nach sich zöge – und sich folglich selten als pragmatisch erweisen dürfte). Alternativ: Der Bürgermeister nimmt den Punkt von der Tagesordnung.

Vom „kann” zum „muss”

Für beschließende Ausschüsse gebe es gemäß Paragraf 39, Ab- satz 5 hinsichtlich des Öffentlichkeitscharakters dieselbe Vorgabe wie bei Sitzungen des gesamten Rates, die (lt. Paragraf 35) lautet, „es kann öffentlich oder nichtöffentlich beraten werden”. Hier hob Evers – sie ist selbst Juristin – hervor, dieses „kann” sei grundsätz- lich als zwingende Vorgabe zu verstehen, sofern nicht gravierende Gründe dem entgegenstünden. Insofern sah sie hierin eine Chance zu größerer Öffentlichkeit, wenn Vorberatungen vor Publikum stattfänden: „Würden diese konsequent öffentlich geführt, würde das die Transparenz erhöhen.”

Erfahrungen

Im späteren Austausch gab es hierzu rege Kommunikation, während der Ratsmitglieder erwähnten, dass sich so mancher Gemeinderat vor einer öffentlichen Diskussion eher scheue, der (oder die) in der geschlossenen Sitzung Klartext rede. Evers riet hierzu zu einem Wandel der Diskussionskultur: „Wenn ihr zu feige seid, öffentlich vorzuberaten, muss das Thema eben in der Gemeinderatssitzung nochmal aufgegriffen werden.” Dr. Beate-Fischer-Wackes meinte hierzu: Es sind nur Wenige, die dafür den Mut aufbringen.” Ihr Rats-Kollege Dr. Gordon Wol- nik insistierte: „Das sollte zur Gewohnheit werden: Der Entschei- dungsfindungsprozess sollte öffentlich getroffen und dadurch nachvollziehbar gemacht werden.”

Zusatz-Optionen

In ihrem Referat erwähnte Evers als weitere Punkte verstärkter Öffnung Video-Übertragungen von Sitzungen („datenschutzrecht- lich und organisatorisch nicht unproblematisch”), die Abhaltung von Einwohner-Versammlungen (in Paragraf 20a der GemO geregelt), die Durchführung von Bürgerbegehren, die zeitge- rechte Veröffentlichung im Zusammenhang mit Ratssitzungen, die Aufnahme von Äußerungen in Amtsblättern und schließlich die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Zu Letzterem pro- gnostizierte sie: „Das werden wir im Landtag in dieser Periode beschließen.”

„Politik-Kultur lebendig halten”

Im Schluss der Debatte blieb nicht unerwähnt, dass das Bür- gerinteresse nach umfassenden Informationen recht wechselhaft wahrnehmbar sei; bei „großen” Themen stelle es sich sehr intensiv dar, bei „Alltagsthemen” wenig bis oftmals gar nicht. Ungeachtet dessen gelte es, so der abschließende Konsens der Runde, viel- fältige Zugangswege zu kommunalpolitischen Abläufen offen zu halten, was nicht zuletzt Ausdruck einer lebendigen demokrati- schen Kultur sei.

 

Autor: Herbert Geisler

Gundelfinger Nachrichten, KW 24 – 16.6.2021, S.2.

Zusammenfassung des Vortrags